Höhner im Interview: "HSV? Wird wieder eine enge Geschichte"

Am Freitag (20:30 Uhr) startet die Saison 2023/24 mit dem Kracher zwischen dem FC Schalke 04 und dem Hamburger SV. "Sport1"-Kommentator Markus Höhner legt sich fest, dass an dem Abend bereits ein großer Favorit auf den Aufstieg zu sehen sein wird. Darüber hinaus spricht der erfahrene TV-Experte im Interview mit liga2-online.de über die herausragenden Transfers der Liga, den Charme der Zweitliga-Stadien und die größten Lehren in seiner Karriere. Er wird selbst beim ersten Heimspiel der Schalker gegen den 1. FC Kaiserslautern am 5. August auf "Sport1" sein erstes Zweitliga-Spiel der neuen Saison kommentieren.

"Kruse finde ich nicht sonderlich sympathisch"

Guten Tag, Herr Höhner. Uns bleiben noch drei Tage zur Vorbereitung, dann geht die Zweitliga-Saison wieder los. Sie gehören zu den Top-Experten im Profifußball. Sind Sie immer noch aufgeregt wie am ersten Tag oder stellt sich irgendwann Routine ein?

Markus Höhner: Aufgeregt wie am ersten Tag, an den ich mich gut erinnere, weil ich ihn mit Magenkrämpfen beendet habe, bin ich nicht mehr. Das sollte 30 Jahre später auch nicht mehr so sein. Ich bin immer wieder geprägt von Lust und Bock auf diesen Job. Normal ist jedoch, dass ich eine organisatorische Anspannung habe. Ich weiß, was man abzuarbeiten hat. Wenn man in der Vorbereitung dann manchmal das Gefühl hat, dass man irgendwie darin hängen bleibt, dann gibt das schon eine Grundunruhe. Ich sehe das so, dass man Abläufe einhalten sollte. Einige Dinge bleiben aber Fleiß.

Die Saison wird natürlich mit Knallerspielen eröffnet, wie beispielsweise Schalke gegen HSV oder Fortuna gegen Hertha (Sa. live ab 20:30 Uhr auf SPORT1). Aber auch einzelne Personalien rücken in den Fokus. Lars Stindl, Max Kruse, Marcel Halstenberg - das sind mal Namen für die 2. Liga, oder?

Wir haben ganz tolle Vereine in der Liga. Schillernde, große Namen. Ich lese einige Aussagen von Kollegen, die fast schon unterstreichen wollen, dass die 2. Liga reizvoller als die Bundesliga ist. Daher gehen auch einzelne Personen den Schritt in diese Liga. Stindl und Kruse sind da herausragende Persönlichkeiten. Paderborn ist solche Schlagzeilen gewohnt, da begeben sie sich auf ähnliches Terrain wie bei Stefan Effenberg als Trainer. Ich persönlich finde Max Kruse nicht sonderlich sympathisch, aber er ist ein toller Sportler. Er hat das Zeug, eine Mannschaft zu führen. Sonst hätte er nicht so oft so gut funktioniert.

Lars Stindl traue ich eine absolute Führungsrolle zu, was ein toller Schachzug für den KSC ist. Er verkörpert für mich eine ganz große Persönlichkeit. Niveau, Sportsgeist, Klasse. Stindl ist ein unglaublicher Gewinn. Ich persönlich sehe aber die Verlängerung von Simon Terodde als den ultimativen Zug für Schalke. Ein Sturmduo wie Terodde und Polter ist für mich fast schon eine Aufstiegsgarantie. Wenn Du neben deinem Top-Stürmer einen zweiten hast mit guter Quote, dann bist du schon mal ganz weit vorne. Beispiele sind Kleindienst/Beste aus der letzten Saison, oder in den Jahren davor Füllkrug/Duksch, oder Terodde/Cordoba in Köln. Einer ist manchmal nicht genug, das belegt das Beispiel Hamburger SV. Ich finde, an Robert Glatzel hing und hängt zu viel alleine.

Apropos: Der Hamburger SV geht mittlerweile in seine sechste Saison im Unterhaus. Wir haben in unserer Prognose die These gewagt, dass die Hanseaten zwar ihren besten Zweitliga-Kader aller Zeiten haben, aber wieder einmal enorme Nervenstärke brauchen wird. Wird es der HSV dieses Mal schaffen?

Der Kader ist gut, aber die Unruhe ist bei jedem Fehltritt vorprogrammiert. Ich sehe Schalke weiter vorne. Der erste Aufstiegsplatz ist damit vergeben. Deswegen sehe ich den HSV wieder als ganz enge Geschichte. Tim Walter hat eine etwas vollmundige Art, die er mit seinen Aussagen immer wieder gezeigt hat. Letztendlich steht unter dem Strich, dass er wieder nur den dritten Platz geschafft hat. Viele seiner offensiven Worte brachten keine realistischen Ergebnisse.

"Hertha? Sie sind das Gespött der Stadt"

Schalke wird als Top-Favorit gehandelt. Letztes Jahr wurde mit Arminia Bielefeld aber auch ein Bundesliga-Absteiger nach unten durchgereicht. Wo ordnen Sie die Hertha ein? Ist der Hauptstadtklub ein Favorit oder sogar in Gefahr?

Von Gefahr will ich nicht reden, aber als Favorit sehe ich sie im Leben nicht. Da sind mir zu wenig personelle Schritte zu erkennen. Eine einzelne Familie, nämlich die Dardais, wird das auch nicht retten. Das ist mir eben zu wenig. Andere Vereine stellen sich wesentlich besser auf. Kruse und Stindl sind Schlüsseltransfers, da sehe ich bei der Hertha wenig Bewegung. Ohnehin wird es für die Berliner schwierig. Sie werden Druck haben und sind das Gespött der Stadt, weil das kleine Union in der Champions League spielt. Auch noch im Olympiastadion. Für das ganze Umfeld ist das schwierig wegzustecken. Wenn du mit diesem Druck in die Saison gehst, halte ich das für sehr schwierig.

Viele Fans müssen sich zudem an ein völlig neues Gesicht in der Liga gewöhnen: die SV Elversberg. Wie schätzen Sie die Aufsteiger samt Osnabrück und Wiesbaden ein?

Ich schätze Elversberg schwächer als Osnabrück und Wiesbaden ein. Der VfL wird die Stabilität, die er in der 3. Liga unter Schweinsteiger gelebt hat, auch in der 2. Bundesliga etablieren können. Es geht zwar nur um den Klassenerhalt, aber den werden sie hinbekommen. Wiesbaden verliert personelle Substanz, selbst Hollerbach wird - glaube ich - weg sein. Damit sind sie aber in der Vergangenheit gut umgegangen. Bei Elversberg sehe ich, dass sie mit unglaublich viel Euphorie in die 3. Liga gegangen sind. Sie leisten tolle Arbeit, keine Frage, aber wir haben in der Rückrunde gesehen, dass es in den Köpfen schwieriger wird, wenn sich keine Eigendynamik entwickelt. Das wird Elversberg aber auch selbst so definieren. Es ist der "Gallische-Dorf-Instinkt", nur wird das in der 2. Liga ungleich schwieriger.

Gibt es eigentlich ein Stadion, in dem sich besonders "einfach" arbeiten lässt? Was braucht ein Kommentator vor Ort?

Ich brauche einen schönen Arbeitsplatz mit viel Platz, an dem ich mich gut positionieren kann und eine gute Sicht habe. Da kann man direkt mal sagen, dass Schalke und Hamburg fantastische Stadien haben. In Berlin ist es durch die Laufbahn etwas komplizierter. Trotzdem hat die alte Schüssel ihren Charme, das darf man nicht vergessen. Das soll nicht blöd klingen, und ist fast eine Floskel, aber jedes Stadion hat seinen eigenen Charme. Ich freue mich auf alle Stadien. Auch auf das gerne mal belächelte Wehen Wiesbaden als Beispiel. Dort gibt es einen tollen Pressesprecher, einen guten Umgang mit den Medien, eine freundliche Offenheit und eine schöne sportliche Atmosphäre. Ich bin gerne in Wiesbaden und Punkt, das ist einfach so. So kann ich es mit anderen Begründungen auch zu anderen Vereinen sagen. Man hat mit fast jedem seine Geschichten, wenn man einige Jahre dabei ist. Nur in Kiel war ich noch nie.

"St. Pauli ist natürlich ein Riesenerlebnis"

Welchen Einfluss nimmt die Stimmung im Stadion auf den Job als Kommentator? Ist laut schöner oder schwieriger?

Die Lautstärke ist natürlich schöner, das ist doch selbstverständlich. Stimmung ist das, was es rund macht. Aber es kann auch eine schöne Atmosphäre in kleineren Stadion mit weniger Zuschauern geben. Es liegt in der Natur der Dinge, dass die großen, emotionalen Vereine - und da kommen einige in der Liga zusammen - eine ganz tolle Atmosphäre schaffen. Auf Schalke und im Volkspark kracht es natürlich richtig. Dazu kommen aber auch Hannover, Braunschweig, Magdeburg, Kaiserslautern oder Karlsruhe im neuen Stadion. Auch Paderborn hat eine Emotionalität, weil das Stadion klug auf die Anzahl der Zuschauer ausgerichtet ist. Und St. Pauli ist natürlich ein Riesenerlebnis als Alleinstellungsmerkmal.

Versprecher, falsche Namen, Tonausfall. Es gibt viele Dinge, die in einem Live-Spiel nicht passieren sollten. Gab es in Ihrer Karriere einen "Unfall", der besonders lehrreich war?

Nein, ich habe nie Fehler gemacht. Keinen einzigen (lacht). Natürlich passiert mir das genauso wie jedem anderen auch. Ich habe mal bei einem Spiel zwischen Frankfurt und Düsseldorf einen Namensdreher dringehabt, den ich konsequent durchgezogen habe. Ich habe auch die Geschichten zu den Spielern dann falsch erzählt. Erst nach über 20 Minuten habe ich vom Aufnahmeleiter Bescheid bekommen, dass ich da einen Dreher drin habe. Fehler können auf allen Ebenen passieren, dafür braucht man nette Kollegen, die einem helfen.

Zum Abschluss dürfen Sie uns noch einmal etwas Sportliches verraten: Wer wird das Überraschungsteam der Saison?

Tja (lacht). Ich sage noch einmal ganz klar, dass Schalke der absolute Top-Favorit ist. Und als Überraschungsteam würde ich mir jetzt einfach mal Kaiserslautern und Hannover schnappen. In Lautern haben wir letztes Jahr gesehen, dass sich das sehr emotionalisieren kann. Dirk Schuster kann eine Mannschaft gut mitnehmen und weiß, wie er eine Stimmung schafft, um hoch zu gehen. Ob der Kader gut genug ist, wird man sehen. Als dritte Mannschaft möchte ich den Karlsruher SC noch dazu nehmen. Stindl ist in der zweiten Liga schon eine Größe, wie wir geklärt haben. In allen drei Fällen kann das emotionale Umfeld das Übrige leisten.

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